Inzwischen ist es das Jahr 1988. Es ist Sommer und wir haben gerade unsere jährliche
Rumänienreise absolviert. Diesmal war es besonders schlimm. Weil es in Rumänien gar keine
Lebensmittel mehr gibt und wir nicht einmal das Recht haben, dort Brot zu kaufen, müssen wir
alles, aber auch alles, mitnehmen. Außerdem ist Anne kürzlich noch mal schnell in Oberfranken
gewesen, um Kaffee und andere gute Dinge einzukaufen, die uns den Urlaub etwas leichter machen
sollen, vor allem auch in finanzieller Hinsicht.
An der Grenze hatten sie es besonders auf uns abgesehen. Erst mal 8 Stunden Stau bis wir auch an
die Reihe kommen. Und dann steht da ein mehr oder minder betrunkener rumänischer Zöllner, der
es richtig auf uns abgesehen hat. Also: Auto auf, Anhänger auf und alles auf so einen seltsamen
Steintisch neben der Fahrspur legen. (Die anderen Reisenden freuen sich, weil sie nicht erwischt
werden .) Und da kommt natürlich vieles zum Vorschein:
Salami, Butter, Mehl, Zucker, Reis, Haferflocken, Kaffee, Schokolade, Bonbons, jede Menge
Klamotten, die Anne aus dem Westen besorgt hat – schon mal vorsorglich für den Winter, damit die
Verwandten nicht frieren müssen. Da sind Gummistiefel, Winterschuhe, Parkas, schöne dicke
Pullover.... Und obenauf noch zwei „Deutsche Standartspaten“. Das hat bisher immer geholfen am
rumänischen Zoll. Wer für die Landwirtschaft was mitbringt, muß ein guter Mensch sein....
Diesmal klappt es nicht. Ganz unten im Auto entdeckt der besoffene Zöllner noch ein paar theologische Bücher, eine Serie mit dem Titel „Theologischer Handkommentar zur Bibel“. Das Wort „Bibel“ lößt bei ihm schiere Panik aus. „Biblii, Biblii, Biblii“ schreit er über das Gelände und nun geht es richtig los mit der Kontrolle. Am Ende sollen wir etwa 1.000.- DM (West) bezahlen. Und die Bücher will er natürlich haben. Auf meine Frage, woher ich als DDR-Bürger dieses Geld haben soll, ruft er seinen Vorgesetzten und spricht vom „Desaster“. Als ich dann gar noch verlange, mit meiner Botschaft in Bukarest zu telefonieren, brennen ihm alle Sicherungen durch und er wird unsachlich.
Diesmal klappt es nicht. Ganz unten im Auto entdeckt der besoffene Zöllner noch ein paar theologische Bücher, eine Serie mit dem Titel „Theologischer Handkommentar zur Bibel“. Das Wort „Bibel“ lößt bei ihm schiere Panik aus. „Biblii, Biblii, Biblii“ schreit er über das Gelände und nun geht es richtig los mit der Kontrolle. Am Ende sollen wir etwa 1.000.- DM (West) bezahlen. Und die Bücher will er natürlich haben. Auf meine Frage, woher ich als DDR-Bürger dieses Geld haben soll, ruft er seinen Vorgesetzten und spricht vom „Desaster“. Als ich dann gar noch verlange, mit meiner Botschaft in Bukarest zu telefonieren, brennen ihm alle Sicherungen durch und er wird unsachlich.
Es bleibt mir nichts anderes übrig: Ich packe alles wieder ein, drehe um und fahre zurück nach
Ungarn. „Und wenn wir jetzt ein Jahr lang unser Brot selber backen müssen, wir fahren zurück“!! -
ist mein Kommentar angesichts von so viel Mehl. Aber dann siegt die Vernunft: In Martinsdorf
warten sie ja auf uns und wir können keinen Kontakt aufnehmen, weil – Handies gibt es ja noch
nicht.....
Also zurück in die ungarische Grenzstadt mit dem langen unaussprechlichen Namen
„Biharkeresztes“. Dort gibt es einen Kirchturm und wo ein Kirchturm ist, da gibt es auch einen
Pfarrer. Der ist zwar von der „anderen Fakultät“ - sprich katholisch, aber das interessiert gar nicht.
Hauptsache ein Mensch, dem wir vertrauen können. Der gute Mann ist gerade dabei, an seinen
Weinreben zu arbeiten, hat einen Arm in Gips, weil er wohl von der Leiter gefallen ist, aber er
spricht ein wenig deutsch und wir können ihn bitten, einen Teil unserer Sachen in Verwahrung zu
nehmen, bis wir wiederkommen. So machen wir es dann auch. Die schönen Winterklamotten
bleiben zunächst in Ungarn, die Bücher schenke ich ihm, weil er sagt, dass seine Gemeindehelferin
das lesen kann und so starten wir zurück in Richtung Grenze.
Es ist eine Art Spießrutenlaufen, vorbei an der langen Schlange der Fahrzeuge, die über die Grenze
wollen. Das Hupkonzert ist unerträglich, aber ich bin so wütend, dass es mich nicht stört.
Schließlich stehe ich wieder im Kontrollbereich und siehe da: Der besoffene Zöllner hat immer
noch Dienst. Also das Ganze nochmal von vorn – alles raus, alles anschauen, wieder den
Vorgesetzten rufen und dann die Mitteilung: Jetzt kostet der Spaß zwar auch 1.000.- Mark, aber
diesmal in Ostgeld. Wir kratzen zusammen, tauschen auf unsere Zollerklärungen das Geld, das
eigentlich für den Urlaub sein sollte und dürfen endlich weiterfahren. Eine schreckliche Erfahrung,
aber die Eltern und Geschwister von Anne haben auf uns gewartet.....
Diese Begebenheit ist nun vorbei, wir sind wieder zuhause und auf Anne wartet die nächste Aufgabe:
Die Andrea, der wir vor etwa einem Jahr zur Ausreise in die Dominikanische Republik verholfen haben, hat zusammen mit ihrem Mann beschlossen, künftig in Deutschland – West zu leben. Und in der Tat ergibt sich in Bayreuth die Möglichkeit, eine Wohnung zu haben, die allerdings erst
mal noch wohnlich gemacht werden muß. So bittet sie Anne darum, ob sie nicht dorthin fahren möchte, um die Dinge so vorzubereiten, dass
Andrea und Carolin (die kleine Tochter), ohne Probleme da einziehen können. Antonio soll später
nachkommen. (Ein Glück, dass Anne den rumänischzen Pass hat !!) Anne, Sebastian und Benjamin reisen also gen Bayreuth und ich bin mit Tobias allein zuhause.
Das alles findet ein paar Tage vor meinem 40. Geburtstag statt, den ich eigentlich ein wenig festlich begehen wollte. Aber die Pflicht hat gerufen und wie sagte der Vikariatsvater Vödisch ? „Der Pfarrer ist immer im Dienst“. So verzichte ich auf die Familie und richte mich auf einen eher einsamen Geburtstag ein.
Tobias schraubt indess an seinen diversen Mopeds herum und ich gehe den alltäglichen Pflichten nach. Es mag ein, zwei Tage vor meinem „Jubiläum“ sein, da muß ich zum Bäcker, Brot holen. Im Bäckerladen fällt mir ein fremder Mann auf, der ziemlich gestikulierend versucht, Kontakt mit den anwesenden Kundinnen aufzunehmen. Ich sehe Keramikvasen und -teller und Glasgefäße, die mir verdächtig bekannt vorkommen. Und als ich etwas näher hinhöre, höre ich vertraute Laute in rumänischer Sprache. Da hat sich doch in der Tat ein Mensch aus Rumänien nach Straßberg verirrt und versucht, unseren Dorfdamen allerlei Dinge zu verkaufen. Die jedoch reagieren entweder gar nicht oder sehr zurückhaltend. Es kommt ja eher selten vor, dass ein Fremder unser Dorf aufsucht und dann noch ein Ausländer.......?
Ich schaue mir den Spaß eine Weile an und überlege, wie ich eingreifen könnte. Am Ende kratze ich all meinen rumänischen (zum Teil noch recht frischen) Wortschatz zusammen und beschließe, dem Mann zu helfen.Erst mal muß ich den anwesenden Frauen erklären, woher der Fremdling kommt und dann spreche ich ihn persönlich an. Ich stelle mich als Ortspfarrer vor und versuche, ihm klar zu machen, dass er eher wenig Chancen hat, seine Ware los zu werden. Der Mann ist völlig konsterniert. Damit hat er nun gar nicht gerechnet, dass er fern seiner Heimat, in unserem Dorf, in seiner Muttersprache – wenn auch mehr schlecht, als recht – angesprochen wird. Und so gibt er mir letztendlich zu verstehen, dass draußen auf dem Dorfplatz sein Sohn im Auto auf ihn wartet. Der hat sich offensichtlich nicht mit in den Bäckerladen gewagt. Also mache ich mich auf die Suche nach dem Sohn und finde ihn in einem für damalige Verhältnisse ganz tollen Dacia – Auto draussen auf dem Platz. Auch ihn versuche ich in rumänischer Sprache anzureden, worauf er mir auf deutsch antwortet: Ich müsse mir nicht so viel Mühe geben, mit ihm könne ich deutsch reden, er wohne hier. Aber der Vater hätte sich nicht ausreden lassen, das kleine Geschäft zu probieren.Das alles findet ein paar Tage vor meinem 40. Geburtstag statt, den ich eigentlich ein wenig festlich begehen wollte. Aber die Pflicht hat gerufen und wie sagte der Vikariatsvater Vödisch ? „Der Pfarrer ist immer im Dienst“. So verzichte ich auf die Familie und richte mich auf einen eher einsamen Geburtstag ein.
Tobias schraubt indess an seinen diversen Mopeds herum und ich gehe den alltäglichen Pflichten nach. Es mag ein, zwei Tage vor meinem „Jubiläum“ sein, da muß ich zum Bäcker, Brot holen. Im Bäckerladen fällt mir ein fremder Mann auf, der ziemlich gestikulierend versucht, Kontakt mit den anwesenden Kundinnen aufzunehmen. Ich sehe Keramikvasen und -teller und Glasgefäße, die mir verdächtig bekannt vorkommen. Und als ich etwas näher hinhöre, höre ich vertraute Laute in rumänischer Sprache. Da hat sich doch in der Tat ein Mensch aus Rumänien nach Straßberg verirrt und versucht, unseren Dorfdamen allerlei Dinge zu verkaufen. Die jedoch reagieren entweder gar nicht oder sehr zurückhaltend. Es kommt ja eher selten vor, dass ein Fremder unser Dorf aufsucht und dann noch ein Ausländer.......?
Ende vom Lied: Ich lade die beiden ganz schnell zu mir in das Pfarrhaus ein, vielleicht habe ich einen Kaffee gemacht, ich weiß es nicht mehr – auf jeden Fall erfahre ich, dass der junge Mann am Plauener Theater als Musiker arbeitet, mit seiner Freundin und einem kleinen Sohn in Plauen wohnt und der Vater gerade mal hier zu Besuch ist und sich mit ein paar kleinen Geschäften seinen Unterhalt aufbessern will. Also genau das, was wir in Rumänien mit Handmixern, Küchenuhren, Kaffee und Damenstrumpfhosen auch machen.....
Ein Wort ergibt das andere, wir fassen Vertrauen zueinander und weil ich allein mit Tobias meinen 40. Geburtstag feiern soll , lade ich ihn, seine Frau, seinen Sohn Adrian, die Freundin und den kleinen Antonio kurzerhand zum Geburtstag ein. Und siehe da, am 11. August sind wir bei schönstem Sommerwetter alle im Pfarrgartenversammelt. Ich stelle fest, dass Adrians Freundin Petra in absehbarer Zeit ihr zweites Baby bekommen wird und erfahre, dass der Termin eigentlich schon erreicht ist.Wir grillen das rumänische Nationalgericht „Mici“, das sind so kleine handgedrehte Würstchen aus Fleisch mit gaaaaanz viel Knoblauch. Tobias sorgt mit seinem Moped für die Getränkeversorgung, indem er jede einzelne Getränkeflasche separat herbeiknattert. Der Tag hat sein besonderes Flair, auch wenn Anne nicht dabei sein kann. Ich habe noch keine Ahnung, dass am nächsten Tag mein künftiges Patenkind zur Welt kommen wird.
Einen Tag später kommt Baby Lucaciu Nr. 2 auf die Welt und erhält den Namen Robert. Und so kurz wir uns auch erst kennen, werde ich zum Paten bei der Taufe berufen. Das nehme ich natürlich sehr gern an, denn nun verbindet uns noch viel mehr, als nur eine lose Bekanntschaft. Robert ist inzwischen 25 Jahre alt, ein begnadeter Musikus, selbst schon verheiratet und vielleicht dürfen wir auch noch miterleben, dass der Patensohn selber Kinder hat. Neugierig sind wir schon ...
Der liebe Gott hat wohl schon damals gewußt, was er tut, indem er uns zusammen geführt hat, denn unsere Freundschaft ist bis auf diesen Tag ungebrochen, so dass wir einander inzwischen als Brüder und Schwestern verstehen können und einer für den anderen gerade steht, wenn es gebraucht wird. Wir durften schon vor der allgemeinen „Wende“ dafür sorgen, dass Grenzen und Mauern beseitigt wurden, indem wir uns einfach vertraut haben. Inzwischen haben wir mancherlei Interessantes und teilweise Kurioses miteinander erlebt, nur zu einem gemeinsamen Rumänienurlaub kam es noch nicht.
Schön, dass es „Keramik im Bäckerladen“ gegeben hat.
Schön, dass es „Keramik im Bäckerladen“ gegeben hat.
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