Es ist wohl so Ende der 70-er Jahre, unsere zwei „Großen“ - aber das wissen wir damals ja noch
nicht, weil an den Benjamin noch keiner denken konnte - also, unsere zwei Großen toben in der
Wohnung herum.
Dank unserer großen Diele können sie sich dort auch austoben, indem sie mit den Dreirädern, die
sie sich aus dem Westen mitgebracht haben, immer wieder um den großen ovalen Tisch fahren, der
an so manchem Sonntag so viele Gäste gesehen hat. Schön ist das, wenn nach dem Gottesdienst
ein paar Leute sagen: Ach, wir haben noch was im Kühlschrank, wir auch und wir auch.............
lasst uns das zusammentun, eine Soljanka gibt es allemal...........
Und so ist am Sonntag nach dem Gottesdienst immer allerhand los im Straßberger Pfarrhaus.
Unsere Freunde aus der Markusgemeinde in Plauen sind meist noch unverheiratet und damit auch
ohne Kinder, so bietet sich das Pfarrhaus zu Straßberg einfach an. Wir hocken zusammen, essen
unsere Mahlzeit und freuen uns, dass wir miteinander reden können.Wir sprechen über das, was uns
an dem Land, in dem wir leben, nicht gefällt und darüber, wie wir es besser machen könnten.
Unsere Kinder werden von allen geliebt und manchmal bleibt auch jemand über Nacht und das ist
gut so.
Mitten in dieser herrlichen Idylle taucht doch eines Tages ein junges Kätzchen bei uns auf.
Irgendwie hat sie den Weg in die erste Etage geschafft und steht nun plötzlich in unserer Diele vor
der Tür zur Küche, maunzt ein paarmal und verschafft sich ob ihres lieben Gesichtes sofort Eintritt
in die heiligen Hallen der Hausfrau. Schwarz mit einem ganz freundlichen Gesicht, so präsentiert
sich uns dieses kleine Kätzchen. Wer vermag ein solch niedliches Tierchen wieder dem „grausamen
Alltag“ anheimzugeben ? Also bekommt „Maunz“ zunächst mal ein Schälchen Milch, um den
ersten Hunger zu stillen. Und genau das ist der „Fehler“, denn die liebe Maunz belässt es nicht bei
der einen Schale Milch, sie will mehr, sie will ein Zuhause. Und so sehr wir uns bemühen, dieses
liebe Tierchen wieder los zu werden – das wird nichts. Keiner will sie gesehen haben im Dorf,
keinem soll sie gehören, also bleibt sie da.
Die Kinder sind begeistert und so hat „Maunz“ ihren festen Platz als Pastorenkatze zu Straßberg,
schon mal wegen ihres weißen Lätzchens auf dem schwarzen „Talar“, und damit alle Chancen, sich
zur „First-Lady“ in Katzenkreisen in Straßberg zu entwickeln – was sie späterhin auch weidlich
ausnutzt....................
Die beiden „Großen“ dürfen zunächst so ziemlich alles mit ihr anstellen. Natürlich muss die Katze
mit ins Bett, natürlich darf sie mit auf den Dreirädern fahren und ganz natürlich kommt sie später
mit auf den Kletterbaum, den die Großen sich im Pfarrhof „ausgeguckt“ haben.
Wohl deshalb übt Maunz später mit ihren eigenen Kindern das Bäume-Klettern. Aber dazu
nachher....
Ja, der Kletterbaum: Das ist ein wilder Apfel, der sich an der Grundstücksgrenze angesiedelt hat
und von den Kindern dazu erkoren wurde, ihr zweites Zuhause zu sein. Jede freie Minute
verbringen sie dort, nageln sich aus altem Holz Leitern zum besteigen, bauen Zwischenböden ein –
drei Etagen sind es wohl zuletzt - überdachen das alles kunstvoll mit allem, was sie an geeignetem
Material finden und immer wenn die Nägel knapp werden, muss ich mit ihnen nach Oelsnitz zum
Großvater fahren – Nachschub besorgen. Der Opa Karl steigt dann in seinen Schuppen und holt aus
seinen unergründlichen Schachteln immer neues Nagelgut, sei es denn auch schon etwas verbogen
und verrostet. Das wird dann gemeinschaftlich gerichtet. Da sind Großvater und Enkel eine
eingeschworene Gemeinschaft. Und wenn es bei ihm selber mal knapp wird, besorgt er eben neue
Nägel. So besteht der Kletterbaum zuletzt gefühlt wohl zur guten Hälfte aus Metall, überlebt es aber
auf wundersame Weise und bringt jedes Jahr herrliche goldgelbe kleine Äpfelchen, die uns zum
Erntedankfest immer wieder als Kirchenschmuck dienen. Genießbar sind sie eher nicht !
Leider hat man später dieses „Denkmal“ abgeholzt und somit einen „Stolperstein“ in der Geschichte
der Straßberger Pfarrerskinder beseitigt.
Als die Großen zu guter Letzt sich noch einen „Ofen“ einbauen und den dann auch noch mit
großem Qualm in Betrieb nehmen, muss ich die Notbremse ziehen und mittels Gartenschlauch die
Geschichte beenden, bevor das gesamte Anwesen in Flammen steht.
Aber zurück zur „Maunz“: Aus Kätzchen wird Katze, aus zwei Kindern werden drei, der Benjamin
ist auch da und macht aus den „Großen“ die „ganz großen“ Brüder und die haben ihn derart lieb,
dass der kleine Mann nur durch Zeichensprache kundtun muss, welches sein Begehr ist. Darauf
wird ihm buchstäblich jeder Wunsch erfüllt.
Es wundert also nicht, dass er erst ziemlich verspätet mit dem Reden und Laufen beginnt. Er hat es
einfach nicht nötig..........
Maunz hingegen bekommt es schon ganz schön „nötig“ und ehe wir uns versehen, beglückt sie uns
mit ihrem ersten Nachwuchs.
Zum Glück ist der Benjamin dem Stubenwagen, in dem ich selber schon meine ersten Monate
verbrachte und der auch den „Großen“ als erste Behausung diente, inzwischen frei geworden und so
wählt sich die werdende Katzenmutter ausgerechnet dieses Teil, das inzwischen auf dem
Wäscheboden steht, zur Kinderstube für ihre Jungen.
Allerdings wartet sie dann doch – wie jedes mal, wenn sie in „Kindsnöten“ ist - auf meine liebe
Frau, die sozusagen zur Katzenhebamme wird, um den Nachwuchs auch ganz sicher auf die Welt zu
bringen.
So wird die Mutter der Kirchgemeinde auch noch zur „Katzengroßmutter“. Das Vertrauen eines
Tieres in uns Menschen macht schon tiefen Eindruck.
So sind wir nun also eine Großfamilie. Neben unseren Kindern haben wir noch eine kleine Schar an
jungen Katzenkindern, die wir auch betreuen müssen.
Obwohl Maunz es uns da recht leicht macht. Sie kann ihren Nachwuchs recht gut selber erziehen
und ich denke an die Begebenheit, als sie mit ihrer Kinderschar die beiden Etagen nach unten geht
und dem Nachwuchs den Hof zeigt. Die Kleinen tummeln sich vor der Haustür im Sonnenschein,
freuen sich ihres Lebens, bis eines auf die Idee kommt, das die dort wachsende Kastanie doch auch
für Katzenkinder ein guter Lebensraum oder Lebensbaum sein könnte.
Und wo ein Katzenkind ist, sind die anderen auch, zum Schluss sitzen sie alle in einer Astgabel und
trauen sich nicht mehr zurück auf die Erde. Mutter Maunz sitzt unten und ist zunächst ratlos. Wir
können ihr auch nicht helfen, denn selbst für uns ist die Astgabel zu hoch und die Leiter reicht auch
nicht.. So vergehen bange Minuten. Wir sind schon drauf und dran, Polizei, Feuerwehr,
Rettungsdienst und sonst wen anzurufen, da nimmt „Mutter Maunz“ all ihren Mut zusammen,
klettert auf den Baum und holt eins nach dem andern von ihren Kindern im „Rückwärtsgang“
wieder runter. Unten angekommen versammelt sie ihre Kinderschar um sich und dann geschieht,
was jeder menschlichen Mutter zur Ehre gereichen würde: Eins nach dem andern der Katzenkinder
bekommt eine „Ohrfeige“ mit der Vorderpfote, untermalt von knurrenden Lauten, die besagen
könnten: „Das macht Ihr aber nicht noch einmal !!“
Die Kinderschar hat begriffen und derartige Vorkommnisse finden nicht mehr statt.
Spätere Kinder von Maunz kommen dann wohl gar nicht mehr auf die Idee.
So vergehen die Jahre. Jedes Jahr gibt es neue kleine Katzen und immer können wir sie gut
vermitteln und dürfen uns wohl heute noch freuen, dass es Nachkommen von Maunz nicht nur in
Straßberg gibt. Bestimmt sind wir schon „Katzen – Ur-Ur-Ur-Großeltern“, wenn nicht noch
mehr.......
Einmal in jedem Jahr haben wir auch Urlaub und fahren in Richtung Rumänien zu den Großeltern
unserer Kinder, damit die auch teilhaben können, wie unsere Kinder sich entwickeln.
Für Maunz ist das natürlich ganz großer Stress. Zwar gibt es die „Tante Ella“ im Pfarrhaus, eine
gütige alte Dame, die uns, unsere Kinder und auch die jeweilige Katzenfamilie mit Großmut erträgt,
die sich auch bereit erklärt, die Maunz zu versorgen, solange wir nicht im Lande sind, aber jedes
Mal so zwei bis drei Tage vor unserer Heimkehr aus dem Urlaub ist die Katze spurlos
verschwunden und wird erst nach Tagen oder Wochen wieder gesichtet. Sir nimmt übel, denn sie
hat wohl Charakter und begreift nicht, wieso wir sie allein lassen können.
Jedenfalls ist sie am Ende immer wieder da. hält das Grundstück mäusefrei und erfreut uns mit
ihrem Nachwuchs.
Wenn wir am Wochenende unseren Kirchnerdienst versehen, sitzt sie vor der Kirchentür und wartet
wie ein treuer Hund darauf, dass es wieder nach Hause geht. In die Kirche kommt sie nicht, sie
weiß wohl, dass sie da nichts verloren hat.
Schließlich übersiedelt sie 1994 gemeinsam mit uns nach Klingenthal.
Dort erwartet sie natürlich ein ganz besonderes Paradies: Unsere dortige Wohnung befindet sich
unmittelbar in Friedhofsnähe – für Maunz das ideale Revier, vor allem wenn es gilt „Jagd“ auf
verwitwete alte Damen zu machen.
Sie lauert hinter so manchem Grabstein und wartet nur darauf, dass jemand kommt, der die Blumen
gießen oder die Grabstelle pflegen möchte und sehr zum Schrecken der einen oder anderen alten
Dame kommt dann hinter dem Grabstein schon mal ein schwarzes Katzenpfötchen hervor und
versetzt die Grabpflegerin in Angst und Schrecken.
Auch in Klingenthal „erfreut“ uns Maunz mit ihrem Nachwuchs und ich denke daran, wie der gute
Benjamin in den Taschen seines Bademantels kleine Katzenbabies spazieren trug, sehr zur Freude
unserer damaligen Mitbewohner.
Auch die Rückkehr nach Straßberg, drei Jahre später, verkraftet sie gut und lebt sich in der alten
Heimat wieder gut ein.
Schön langsam wird sie aber doch alt und gebrechlich. Ihre alten Spielkameraden – unsere Kinder –
sind auch schon längst erwachsen und so verlässt sie uns im geschätzten Alter von 18 oder 19
Jahren, wie es so schön heißt: „Alt und lebenssatt“.
Ein kleines Denkmal wollen wir ihr aber doch setzen, hat sie uns doch immer wieder in Atem
gehalten und unser Leben mit ihrem Dasein erfreut und bereichert...............