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Sonntag, 24. November 2013

Die Katze Maunz



Es ist wohl so Ende der 70-er Jahre, unsere zwei „Großen“ - aber das wissen wir damals ja noch nicht, weil an den Benjamin noch keiner denken konnte - also, unsere zwei Großen toben in der Wohnung herum.
Dank unserer großen Diele können sie sich dort auch austoben, indem sie mit den Dreirädern, die sie sich aus dem Westen mitgebracht haben, immer wieder um den großen ovalen Tisch fahren, der an so manchem Sonntag so viele Gäste gesehen hat. Schön ist das, wenn nach dem Gottesdienst ein paar Leute sagen: Ach, wir haben noch was im Kühlschrank, wir auch und wir auch............. lasst uns das zusammentun, eine Soljanka gibt es allemal...........


Und so ist am Sonntag nach dem Gottesdienst immer allerhand los im Straßberger Pfarrhaus. Unsere Freunde aus der Markusgemeinde in Plauen sind meist noch unverheiratet und damit auch ohne Kinder, so bietet sich das Pfarrhaus zu Straßberg einfach an. Wir hocken zusammen, essen unsere Mahlzeit und freuen uns, dass wir miteinander reden können.Wir sprechen über das, was uns an dem Land, in dem wir leben, nicht gefällt und darüber, wie wir es besser machen könnten. Unsere Kinder werden von allen geliebt und manchmal bleibt auch jemand über Nacht und das ist gut so.
Mitten in dieser herrlichen Idylle taucht doch eines Tages ein junges Kätzchen bei uns auf. Irgendwie hat sie den Weg in die erste Etage geschafft und steht nun plötzlich in unserer Diele vor der Tür zur Küche, maunzt ein paarmal und verschafft sich ob ihres lieben Gesichtes sofort Eintritt in die heiligen Hallen der Hausfrau. Schwarz mit einem ganz freundlichen Gesicht, so präsentiert sich uns dieses kleine Kätzchen. Wer vermag ein solch niedliches Tierchen wieder dem „grausamen Alltag“ anheimzugeben ? Also bekommt „Maunz“ zunächst mal ein Schälchen Milch, um den ersten Hunger zu stillen. Und genau das ist der „Fehler“, denn die liebe Maunz belässt es nicht bei der einen Schale Milch, sie will mehr, sie will ein Zuhause. Und so sehr wir uns bemühen, dieses liebe Tierchen wieder los zu werden – das wird nichts. Keiner will sie gesehen haben im Dorf, keinem soll sie gehören, also bleibt sie da.
Die Kinder sind begeistert und so hat „Maunz“ ihren festen Platz als Pastorenkatze zu Straßberg, schon mal wegen ihres weißen Lätzchens auf dem schwarzen „Talar“, und damit alle Chancen, sich zur „First-Lady“ in Katzenkreisen in Straßberg zu entwickeln – was sie späterhin auch weidlich ausnutzt....................
Die beiden „Großen“ dürfen zunächst so ziemlich alles mit ihr anstellen. Natürlich muss die Katze mit ins Bett, natürlich darf sie mit auf den Dreirädern fahren und ganz natürlich kommt sie später mit auf den Kletterbaum, den die Großen sich im Pfarrhof „ausgeguckt“ haben.
Wohl deshalb übt Maunz später mit ihren eigenen Kindern das Bäume-Klettern. Aber dazu nachher....
Ja, der Kletterbaum: Das ist ein wilder Apfel, der sich an der Grundstücksgrenze angesiedelt hat und von den Kindern dazu erkoren wurde, ihr zweites Zuhause zu sein. Jede freie Minute verbringen sie dort, nageln sich aus altem Holz Leitern zum besteigen, bauen Zwischenböden ein – drei Etagen sind es wohl zuletzt - überdachen das alles kunstvoll mit allem, was sie an geeignetem Material finden und immer wenn die Nägel knapp werden, muss ich mit ihnen nach Oelsnitz zum Großvater fahren – Nachschub besorgen. Der Opa Karl steigt dann in seinen Schuppen und holt aus seinen unergründlichen Schachteln immer neues Nagelgut, sei es denn auch schon etwas verbogen und verrostet. Das wird dann gemeinschaftlich gerichtet. Da sind Großvater und Enkel eine eingeschworene Gemeinschaft. Und wenn es bei ihm selber mal knapp wird, besorgt er eben neue Nägel. So besteht der Kletterbaum zuletzt gefühlt wohl zur guten Hälfte aus Metall, überlebt es aber auf wundersame Weise und bringt jedes Jahr herrliche goldgelbe kleine Äpfelchen, die uns zum Erntedankfest immer wieder als Kirchenschmuck dienen. Genießbar sind sie eher nicht !
Leider hat man später dieses „Denkmal“ abgeholzt und somit einen „Stolperstein“ in der Geschichte der Straßberger Pfarrerskinder beseitigt. 

 Als die Großen zu guter Letzt sich noch einen „Ofen“ einbauen und den dann auch noch mit

großem Qualm in Betrieb nehmen, muss ich die Notbremse ziehen und mittels Gartenschlauch die Geschichte beenden, bevor das gesamte Anwesen in Flammen steht.
Aber zurück zur „Maunz“: Aus Kätzchen wird Katze, aus zwei Kindern werden drei, der Benjamin ist auch da und macht aus den „Großen“ die „ganz großen“ Brüder und die haben ihn derart lieb, dass der kleine Mann nur durch Zeichensprache kundtun muss, welches sein Begehr ist. Darauf wird ihm buchstäblich jeder Wunsch erfüllt.


Es wundert also nicht, dass er erst ziemlich verspätet mit dem Reden und Laufen beginnt. Er hat es einfach nicht nötig..........
Maunz hingegen bekommt es schon ganz schön „nötig“ und ehe wir uns versehen, beglückt sie uns mit ihrem ersten Nachwuchs.


Zum Glück ist der Benjamin dem Stubenwagen, in dem ich selber schon meine ersten Monate verbrachte und der auch den „Großen“ als erste Behausung diente, inzwischen frei geworden und so wählt sich die werdende Katzenmutter ausgerechnet dieses Teil, das inzwischen auf dem Wäscheboden steht, zur Kinderstube für ihre Jungen.
Allerdings wartet sie dann doch – wie jedes mal, wenn sie in „Kindsnöten“ ist - auf meine liebe Frau, die sozusagen zur Katzenhebamme wird, um den Nachwuchs auch ganz sicher auf die Welt zu bringen.
So wird die Mutter der Kirchgemeinde auch noch zur „Katzengroßmutter“. Das Vertrauen eines Tieres in uns Menschen macht schon tiefen Eindruck.
So sind wir nun also eine Großfamilie. Neben unseren Kindern haben wir noch eine kleine Schar an jungen Katzenkindern, die wir auch betreuen müssen.
Obwohl Maunz es uns da recht leicht macht. Sie kann ihren Nachwuchs recht gut selber erziehen und ich denke an die Begebenheit, als sie mit ihrer Kinderschar die beiden Etagen nach unten geht und dem Nachwuchs den Hof zeigt. Die Kleinen tummeln sich vor der Haustür im Sonnenschein, freuen sich ihres Lebens, bis eines auf die Idee kommt, das die dort wachsende Kastanie doch auch für Katzenkinder ein guter Lebensraum oder Lebensbaum sein könnte.
Und wo ein Katzenkind ist, sind die anderen auch, zum Schluss sitzen sie alle in einer Astgabel und trauen sich nicht mehr zurück auf die Erde. Mutter Maunz sitzt unten und ist zunächst ratlos. Wir können ihr auch nicht helfen, denn selbst für uns ist die Astgabel zu hoch und die Leiter reicht auch nicht.. So vergehen bange Minuten. Wir sind schon drauf und dran, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und sonst wen anzurufen, da nimmt „Mutter Maunz“ all ihren Mut zusammen, klettert auf den Baum und holt eins nach dem andern von ihren Kindern im „Rückwärtsgang“ wieder runter. Unten angekommen versammelt sie ihre Kinderschar um sich und dann geschieht, was jeder menschlichen Mutter zur Ehre gereichen würde: Eins nach dem andern der Katzenkinder bekommt eine „Ohrfeige“ mit der Vorderpfote, untermalt von knurrenden Lauten, die besagen könnten: „Das macht Ihr aber nicht noch einmal !!“
Die Kinderschar hat begriffen und derartige Vorkommnisse finden nicht mehr statt.
Spätere Kinder von Maunz kommen dann wohl gar nicht mehr auf die Idee.
So vergehen die Jahre. Jedes Jahr gibt es neue kleine Katzen und immer können wir sie gut vermitteln und dürfen uns wohl heute noch freuen, dass es Nachkommen von Maunz nicht nur in Straßberg gibt. Bestimmt sind wir schon „Katzen – Ur-Ur-Ur-Großeltern“, wenn nicht noch mehr.......
Einmal in jedem Jahr haben wir auch Urlaub und fahren in Richtung Rumänien zu den Großeltern unserer Kinder, damit die auch teilhaben können, wie unsere Kinder sich entwickeln.
Für Maunz ist das natürlich ganz großer Stress. Zwar gibt es die „Tante Ella“ im Pfarrhaus, eine gütige alte Dame, die uns, unsere Kinder und auch die jeweilige Katzenfamilie mit Großmut erträgt, die sich auch bereit erklärt, die Maunz zu versorgen, solange wir nicht im Lande sind, aber jedes Mal so zwei bis drei Tage vor unserer Heimkehr aus dem Urlaub ist die Katze spurlos verschwunden und wird erst nach Tagen oder Wochen wieder gesichtet. Sir nimmt übel, denn sie hat wohl Charakter und begreift nicht, wieso wir sie allein lassen können.

 Jedenfalls ist sie am Ende immer wieder da. hält das Grundstück mäusefrei und erfreut uns mit ihrem Nachwuchs.
Wenn wir am Wochenende unseren Kirchnerdienst versehen, sitzt sie vor der Kirchentür und wartet wie ein treuer Hund darauf, dass es wieder nach Hause geht. In die Kirche kommt sie nicht, sie weiß wohl, dass sie da nichts verloren hat.

Schließlich übersiedelt sie 1994 gemeinsam mit uns nach Klingenthal.
Dort erwartet sie natürlich ein ganz besonderes Paradies: Unsere dortige Wohnung befindet sich unmittelbar in Friedhofsnähe – für Maunz das ideale Revier, vor allem wenn es gilt „Jagd“ auf verwitwete alte Damen zu machen.
Sie lauert hinter so manchem Grabstein und wartet nur darauf, dass jemand kommt, der die Blumen gießen oder die Grabstelle pflegen möchte und sehr zum Schrecken der einen oder anderen alten Dame kommt dann hinter dem Grabstein schon mal ein schwarzes Katzenpfötchen hervor und versetzt die Grabpflegerin in Angst und Schrecken.
Auch in Klingenthal „erfreut“ uns Maunz mit ihrem Nachwuchs und ich denke daran, wie der gute Benjamin in den Taschen seines Bademantels kleine Katzenbabies spazieren trug, sehr zur Freude unserer damaligen Mitbewohner.
Auch die Rückkehr nach Straßberg, drei Jahre später, verkraftet sie gut und lebt sich in der alten Heimat wieder gut ein.
Schön langsam wird sie aber doch alt und gebrechlich. Ihre alten Spielkameraden – unsere Kinder – sind auch schon längst erwachsen und so verlässt sie uns im geschätzten Alter von 18 oder 19 Jahren, wie es so schön heißt: „Alt und lebenssatt“.

Ein kleines Denkmal wollen wir ihr aber doch setzen, hat sie uns doch immer wieder in Atem gehalten und unser Leben mit ihrem Dasein erfreut und bereichert............... 

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