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Mein Onkel und ich wünschen Euch viel Spaß beim Lesen und Staunen!

Montag, 21. April 2014

Reise zu einem verbotenen Ort

Von Hubert Schierl

Anlässlich unseres Kuraufenthaltes in Bad Sülze – diesen lustigen Ort gibt es wirklich in Mecklenburg-Vorpommern – machen wir uns am Ostersonnabend auf den Weg zur Insel Rügen.

Quer durch Stralsund, der würdigen alten Hansestadt aus dem Jahr 1234 mit ihrem imposanten Stadtbild erreichen wir die neu erbaute Rügen-Brücke, die im Jahr 2007 von Frau Bundeskanzlerin Merkel eingeweiht wurde. Ca. 50 Meter hoch schwingen wir uns über den Strelasund und beobachten amüsiert die hunderte von Anglern, die nebenan auf dem Rügen-Damm ihre Ruten ausgeworfen haben. Sie gehen auf Hering, haben wir gehört, denn jetzt im Frühjahr ist Heringzeit. Angeblich kommen sie nach kurzer Zeit schon mit vollen Eimern nach Hause. Ob das wohl Anglerlatein ist? Jedenfalls sollen die selber gedrehten Rollmöpse weit besser schmecken, als die gekauften..........

Weiter geht die Fahrt, bis wir nach kurzer Zeit dann reif sind für die Insel. Endlich auf Rügen: Für Anne geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung.
Erste Station ist das Atelier von Töpfermeister Peter Dolacinski in Götemitz, „gleich rechts neben der Hauptstraße ein Stück den Seitenweg rein“ - hat uns unser Freund Rainer zuhause noch erklärt. Das Navi bringt uns sicher hin und schon bald stehen wir vor einem echt urigen reetgedeckten Haus, dem man die Individualität ansieht, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Den Meister selbst können wir leider nicht sprechen, der schläft noch. Er war am Vortag zum Osterwasser unterwegs und da wurde es bei der Quellensuche offensichtlich etwas später......
Aber wir bestellen die Grüße, die uns von Rainer aufgetragen wurden, einer netten jungen Frau und die verspricht uns, das weiter zu sagen. Das Atelier, respektive die Werkstatt, dürfen wir uns aber kurz anschauen. Interessant, was da alles entsteht! Noch sind wir etwas unschlüssig, wie wir weiter fahren sollen, aber ein Blick in die Karte sagt uns, dass wir unbedingt an den nördlichsten Punkt der ehemals ach so kleinen Republik reisen sollten.
Also an Bergen vorbei Richtung Sagard, Glowe, Altenkirchen und weiter nach Arkona. Auf dem Parkplatz müssen wir unser Auto abstellen und da ich einen Behindertenausweis besitze, dürfen wir auf einen entsprechenden Parkplatz fahren und finden dort entgegen vielen anderen Touristen auch eine freie Stelle. Selbst die umweltfreundlich gasbetriebene „Bimmelbahn“ darf ich dank dieses Dokumentes „kostenlos – nicht umsonst“ benutzen. Dieses ruckelnde Gefährt bringt uns endlich noch zwei Kilometer weit dem Kap Arkona näher. Die letzte Wegstrecke müssen wir dann allerdings zu Fuß bewältigen. Das ist zwar steinig, aber gut so. Wir kommen vorbei an den beiden Leuchttürmen, deren einen der gute alte Baumeister Schinkel entworfen hat und erfahren, dass bis 1989 am Kap Arkona der Frieden von der Volksmarine der ehemaligen DDR verteidigt wurde. Unklar bleibt, gegen wen....
Die Schweden wären wohl kaum einmarschiert, die waren schon eher mal da und die Dänen hatten sicher auch andere Sorgen, als die kleine DDR zu vereinnahmen.

 Sollte man gar Angst vor den Polen gehabt haben ? Denkbar wäre alles......... Jedenfalls zeugt noch heute eine verzweigte Bunkeranlage von der Präsenz der „Friedensengel“ in Marineuniform. Die damals dort stationierten SS-20 -Raketen sind Gott sei Dank und hoffentlich für immer verschwunden.

Wir ahnen, wie es den „Genossen Matrosen“ zumute gewesen sein mag, dort in dieser idyllischen Umgebung straffen Militärdienst zu tun und womöglich tagelang wie die Maulwürfe unter der Erde herumgekrochen zu sein.

Wen wundert es also, dass das viel besungene, hoch gerühmte, Kap Arkona militärisches Sperrgebiet und damit für die Bevölkerung unzugänglich war.

Und was hat man letzterer vorenthalten an Schönheit und Urtümlichkeit – ein Stück Natur, das seinesgleichen sucht.
Wir arbeiten uns durch bis zur Steilküste und dann ist er da, der Blick hinaus auf das offene Meer, dessen Ende man nur erahnen kann. Mir wird plötzlich mal wieder klar, dass es hinter dem Horizont immer weiter gehen muss und ich bin dankbar, das ich die Strapaze des für mich weiten Weges auf mich genommen habe.
Die Fotos, die ich schießen kann – schießen in sehr friedlicher Absicht ! - entschädigen mich für die Schmerzen, die ich mitgebracht habe.
Ich freue mich, dass Anne mein 300 mm – Objektiv mitgeschleppt hat, denn damit gelingen mir Bilder sowohl in die unendliche Ferne, als auch von den kleinen Schönheiten am Wegesrand.
Die Sonne meint es gut mit uns und die frische Seeluft ist noch besser, als Inhalation mit Emser Salz. Anne meinte hinterher sogar, ich hätte „Farbe gefangen“.
So bleiben Freude und Dankbarkeit darüber, dass es möglich ist, im Frieden und in Freiheit Orte zu besuchen, die einst vor nicht zu ferner Zeit eher kriegerischen Zwecken dienten.
Wir fahren zurück, am Königstuhl vorbei, den wir ein andermal anschauen werden, bis nach Sassnitz – Stadthafen. Von da aus wollen wir an einem anderen Tag eine Schiffsreise bis Arkona unternehmen und uns die Kreidefelsen von unten anschauen. Auch Prora steht noch auf der Agenda, wo ein größenwahnsinniger Despot eine Ferienanlage hinzaubern ließ, die leider ihren Zweck niemals erfüllen durfte, weil sie nie fertig gebaut werden konnte. Ich denke, heute braucht sie auch keiner mehr, denn wir brauchen nicht mehr alle zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung marschieren und das ist gut so............. 

Mittwoch, 5. März 2014

Durch die Bibel



Täglich ein Kapitel aus einem Buch der Bibel:

Durch die Bibel       Einfach anklicken!!!








Ich höre diese Beiträge sehr gerne. Sie liefern mir viele Hintergrundinformationen zu den Büchern, aber auch umfangreiche Auslegungen der Bibeltexte.

Einfach mal reinhören - es lohnt sich! Und wer lieber liest, kann sich täglich ein Sendemanuskript herunterladen.

Für die Nutzer von Smartphones und Ipads gibt es auch eine App. dazu!

Mit freundlicher Empfehlung
Durch die Bibel
Eure Agathe



Montag, 3. März 2014

Ev.- Luther. Kirche von Straßberg im Vogtland

    Foto von Hubert Schierl, im Februar 2014

Informationen zur Kirche (QUELLE: http://www.kirche-plauen.de/Strassberg Text.html):

1194 urkundliche Ersterwähnung des Ortes in einer Schenkungsurkunde datiert mit dem 18. März. Die Brüder Eckehardt und Heinrich „zu strazberc“ werden darin als Zeugen erwähnt. Auf dem heutigen Areal der Kirche befand sich eine Burg der Vögte von Strassberg.
1280 wurde die Burg bereits als „castrum destructum“ bezeichnet.
1576 wurde das jetzige Gotteshaus geweiht als Renaissancebau im Schlosskirchentypus.
Bauherr: Joachim von Reibold Patronatsherr auf Neundorf und Strassberg
Baumeister: unbekannt
Besonderheiten: Vorbild waren die protestantischen Hofkapellen der Wettiner
Saalartiger Raum, leuchtende Ockertonquaderung, flaches Kreuzgratgewölbe mit Gurtbögen. Das Ideal der Renaissance wurde hier in nahezu reiner Form verwirklicht: Einfachheit in Linie, Form und Proportion
Das massive Westwerk als Turm beherbergt auf 2 Etagen bemerkenswerte Räume.
  1. Etage: Eine barocke Patronatsloge mit figürlichen Stuckelementen, Wappen und zwei großen Wandgemälden, die die Geburt Jesu und die Himmelfahrt Christi mit Bibeltext zeigen. 1626 von Friedrich Wilhelm Franck aus Kahla gemalt.
  2. Etage: Drei Wohnräume mit schmiedeeiserner Eingangstür um 1576, Ornamentziegelfußboden aus der Erbauerzeit, kaminartige Feuerstelle, Kreuzgratgewölbe
Drei denkmalgeschützte Bronzeglocken
1673 von Hiob Breitinger: mittlere Glocke/Betglocke – 325 kg, 71 cm Durchmesser, Ton cis
1688 von Daniel Handel / Zwickau: kleine Glocke   –   100 kg, 59 cm Durchmesser, Ton E
1725 von Christoph Graulich / Hof: große Glocke   –   500 kg, 98 cm Durchmesser, Ton A
Ausstattung
  1. barockes Kruzifix, lebendgroß im Eingangsbereich
  2. Marienaltar um 1500, Hofer Werkstatt, mit Maria Magdalena, Mutter Maria und Johannes dem Täufer
  3. Orgel: zweimanualiges Werk1804 von der Orgelbaufirma Trampeli/Adorf i.V. gefertigt
  4. Klassizistischer Kanzelaltar und Orgelprospekt vom Adorfer Tischlermeister Pinder 1804
Seit dieser Zeit gibt es eine glückliche Symbiose zwischen Architektur, Akustik und Orgel.
1998 umfassende Orgelrestaurierung mit Pfeifwerk und Prospekt. Die Orgel befindet sich im Bestzustand mit ursprünglicher Klangfrische – jährliche Konzerte
1998 Innenrestaurierung: die originale Farb- und Putzfassung wurde unter späteren Farbschichten entdeckt. Wiederherstauung der ersten Farbfassung mit Ockerquaderung und schwarzen Beistrichen.
2005 Restaurierung des Renaussancedachstuhls und des Süddaches gemäß alter Handwerkskunst.
Die Straßberger Kirche ist ein kostbarer Renaissancebau. Das Gotteshaus gehört zu den ersten Dorfkirchen, die nach der Reformation im Freistaat Sachsen errichtet wurden.
Zur Dorfkirchgemeinde gehören etwa 400 Gemeindeglieder mit den Orten Kobitzschwalde, Unterneundorf, Strassberg und Possig. Straßberg liegt am Südrand von Plauen/Vogtland und gehört politisch zur Stadt Plauen

Vorfahren

von Hubert Schierl

Eigentlich war ich ja mal der Letzte in der Sippe der Schierls aus Woratschen in der ehemaligen Tschechoslowakei, die ganz früher mal Oesterreich – Ungarn war, dann als eigenständiger demokratischer Staat, mit dem Namen „Tschechoslowakische Republik“(mit ihrem legendären Präsidenten Tomas Mazaryk) existierte (eine zu damaligen Zeiten sehr moderne demokratische Republik übrigens), kurze Zeit gemäß dem „Nürnberger Abkommen“ widerrechtlich dem Deutschen Reich einverleibt wurde und nun zu Zeiten meiner Kindheit ein Sozialistischer Staat im Einflussbereich der großen Sowjetunion ist. Eben die „Tschechoslowakische Sozialistische Republik“ (CSSR): Der Großvater ist jedenfalls noch k.u.k (kaiserlich-königlicher) Obergefreiter oder Feldwebel gewesen oder zumindest so etwas ähnliches – ich kenne mich da nicht so aus, weil ich nie „gedient“ habe (jedenfalls kenne ich ein Foto, das ihn mit dem für solche Dienstgrade typischen Schnauzbart zeigt...). Er dient im Oesterreichischen Heer und ist gleichzeitig Einwohner der böhmischen Gemeinde Woratschen / Oracov im Mittelböhmischen Bezirk Podersam / Podborany, nicht weit weg von Prag. Verheiratet ist er mit Antonia, geb. Plohner aus der Nachbargemeinde Tschentschitz / Petersburg (Cerncice / Petrohrad) und die beiden fristen ein bescheidenes aber zufriedenes Leben in Woratschen. Sie haben ein kleines Häuschen, der Großvater verdient sich sein Geld im Sommer als Maurer, im Winter als Straßenmeister und die Großmutter hält den Haushalt in Ordnung und kümmert sich um die drei Kinder, Karl, Annemarie (genannt „Antsch“) und Eleonore (später „Lori“) , versorgt die Ziege, die Kuh des kleinen Mannes, und backt Brot. Nebenbei ist sie noch in der Mittelmühle in Arbeit. Und dann gibt es da noch eine Urgroßmutter, die ich naturgemäß nie kennen lernte, mit nur einem Auge, die im Leben meines Vaters wohl eine große Rolle gespielt hat.... So hat er es mir jedenfalls erzählt. Es soll eine behütete Kindheit gewesen sein, die der Bub Karl mit seinen Schwestern und seinen Freunden im Dorf erlebt hat. Ich kenne da Geschichten, die mich ahnen lassen, dass in den Kinder – und Jugendjahren von Karl „viel los“ war. Vor allem mit seinem Freund „Peppi“, dem Buben vom Mittelmüller mit dem schönen böhmischen Namen „Mrazek“, hat er viel erlebt. Und als die beiden sich im höheren Alter endlich wieder gefunden haben, bleibt kein Auge trocken vor Wiedersehensfreude und dem Erzählen alter Geschichten.

Aber jede Kindheit geht zu Ende und es kommt der Tag des Schulabschlusses auf der Bürgerschule in Jechnitz / Jesenice und damit der Beginn der Lehrzeit bei einem Bäckermeister Kuhn in Kriegern /Kryry, ein paar Dörfer weiter aber immerhin so weit weg von daheim, dass ein tägliches Heimkommen unmöglich ist. Und so muss der 15-jährige Lehrling beim Herrn Meister und der Frau Meisterin sein zuhause finden. Sicher ist es ihm schwer gefallen, die behütete Umgebung seiner Heimat aufzugeben, ist er doch mit Leib und Seele gern daheim in Woratschen. Der Rest der Lehrzeit ist schnell erzählt: Früh am Morgen aufstehen, Mehlsäcke schleppen, Teig kneten, Brot schieben und womöglich die fertige Ware auch noch ausliefern an die Leute, die sich das leisten können.
So mag es eine Erleichterung sein, als im Jahr 1938 das NS-Regime die „sudetendeutschen Gebiete“ dem „Reich“ einverleibt und plötzlich ist der Karl ein „Reichsdeutscher“ und alle Chancen stehen ihm offen. Er ist clever, lässt den Bäckerberuf saussen und geht zur Reichspost als Fernmeldemechaniker, wie man heute vielleicht sagen würde. Berlin ist das Ziel der Wünsche! Man stelle sich vor: Der junge Karl aus Woratschen im „Sudetengau“ ist plötzlich in der Reichshauptstadt mit ihren Millionen von Einwohnern !!!!! Dort wird er dann auch bald „eingezogen“ zur „Wehrmacht“. Mit Glück entgeht er als „Volksdeutscher“ der Einberufung zur „Waffen-SS“ und kommt zur normalen Truppe. „Nachrichtenregiment 40“ - lautet von nun an seine Feldpostnummer. Und dann geht es schon bald ab in den Krieg. Frankreich, Russland, Jugoslawien, wieder Frankreich – das sind grob seine Stationen kreuz und quer durch Europa, immer im Dienst eines verbrecherischen Systems. Aber er hat einen Eid abgelegt auf den „GRÖFAZ“, den „Größten Feldherrn aller Zeiten“. Und so heißt es denn durchhalten, fast bis zuletzt........
Zwischendurch ist aber mal Ruhezeit in Oelsnitz im Vogtland, für den Karl bis dato sicher ein „böhmisches“ (oder vogtländisches ???) Dorf............
Da ist er einquartiert – Privatquartier – bei der Familie Beissert in der Bachstrasse 23. Immerhin ist er inzwischen „Stabsgefreiter“ und da steht ihm ein solches Quartier wohl zu. Interessant ist nur, dass nebenan eine Familie Passolt wohnt und es da eine hübsche Haustochter im Alter von niedlichen 20 Jahren gibt. Der lohnt es wohl, den Hof zu machen und ab und an mal ein Blümchen vorbei zu bringen. (Ei, 30 Jahre später habe ich selbiges an ganz anderer Stelle auch getan!!) So ergibt eins das andere, aus Karl und Elisabeth wird zunächst ein Braut- und später 1943 ein Ehepaar. Einzelheiten deckt der gnädige Mantel der Geschichte zu..............

Immer noch ist Krieg und keiner kann wissen, ob Karl wieder lebendig und gesund aus diesem zweifelhaften Abenteuer zurück kommt. Die beiden haben es trotzdem riskiert. Am Ende geht es gut, der Karl entlässt sich
selber in Wuppertal aus der Wehrmacht, fährt mit einem „requirierten“ Fahrrad von dort aus quer durch alle Front- und Besatzungslinien „heim“ nach Oelsnitz, um dort mit seiner Elisabeth eine Bäckerei in der Georg- später Walther -Rathenau – Str. zu betreiben, die aber letztendlich auch enteignet wird, da die Elisabeth Flüchtlinge ohne Lebensmittelkarten durchfüttert. Dort riskiere ich im Jahr 1948 meine ersten Blicke in die damals gar nicht so unkomplizierte Welt. Es ist Nachkriegszeit, den Leuten geht es nicht so gut und letztlich habe ich Glück, dass es Verwandte in Amerika gibt, die ab und an Pakete mit Lebensmitteln schicken.So werde ich groß und stark und bin nun in Oelsnitz daheim. Vater ist kein Bäckermeister mehr, sondern geht bei der Reichsbahn auf dem Bauzug seiner Arbeit nach, was bedeutet, dass ich ihn nur an einem Tag in der Woche mal kurz sehen kann. Sonst ist er unterwegs in „Klein-Texas“ im Erzgebirge bei Johanngeorgenstadt, wo die „Wismut“ wütet und Uran abbauen lässt für Stalins Atombombe. Der Wahnsinn soll ja weiter gehen – 50 Millionen Tote sind noch lange nicht genug........
Gleise abbauen, um die Schienen in die Sowjetunion zu bringen als Reparationsleistung und gleichzeitig Gleise neu verlegen, um die abgebauten Bodenschätze in eben jenes Land zu bringen wie man mir erzählt hat, sogar teilweise in russischer Breitspur um das leidige „Umspuren“ in Brest-Litowsk zu vermeiden. Den Rest meiner frühen Kindheit verbringe ich mit der Mutter und bis 1954 mit der Oma Katharina, genannt „Linna“ , die mich in die biblischen Geschichten einführt und mir tolle Geschichten von Jesus und seinen Freunden erzählt. Es folgt meine Schulzeit, ohne Pionierhalstuch, entgegen dem damaligen Brauch. Auch der „Freien Deutschen Jugend „ (FDJ) will ich nicht beitreten und versuche, meinen Weg außerhalb der gültigen Normen zu gehen. Selbst als ich in der 9.Klasse der Schule verwiesen werden soll, weil ich nicht „konform“ gehe, riskiere ich das mit Hilfe meiner Eltern, die treu zu mir halten und kann letztendlich wenigstens die „Mittlere Reife“ ablegen, die mich dazu berechtigt, ein Fachschulstudium aufzunehmen.
Und da bewahrheitet sich die alte Weisheit: Wer zu Gott Ja sagt, zu dem tut er es auch!

Sybille

Hubert Schierl

Wir sind mal wieder in Siebenbürgen, Anne und ich. Wir schreiben 2005, es ist September und damit beste Traubenlesezeit. Gern fahren wir dorthin, wenn der große Trubel vorbei ist und wir die wenigen Martinsdorfer, die es noch gibt, für uns haben können. Dann kann man in Ruhe mal über etwas reden. Beileibe nicht nur über vergangene Dinge, nein, wir wollen wissen, wie es den Leuten aktuell geht und wo wir eventuell helfend eingreifen können. Oft sind es ja die ganz kleinen Dinge, an die keiner denkt, die aber gemacht werden müssen. Und wenn es mal ein paar Tabletten sind, die da gerade jemand braucht. Nun ja, es ist wieder recht schön, das Wetter stimmt auch und wir fühlen uns wohl in Annes alter Heimat.

Am Sonntag soll Gottesdienst sein in der Martinsdorfer Kirche und es soll einePfarrerin aus Mediasch kommen. Martinsdorf hat ja schon lange keinen Pfarrer mehr, die Strukturen haben sich radikal geändert, alles geschieht nur noch über Mediasch und die dortigen Pfarrer haben alle Hände voll zu tun, die vielen Landgemeinden regelmäßig zu betreuen. Aber mit ganz großer Treue und mit ganz viel persönlichem Engagement schaffen es die wenigen Mitarbeiter immer wieder, dass sie alle Gemeindeglieder sammeln und am Gottesdienst teilhaben lassen. So bringt die Pfarrerin eben einfach auch Gemeindeglieder aus Rosch mit nach Martinsdorf und ganz selbstverständlich lassen die Leute sich das gefallen. Man hat sich eingefunden in die Diaspora-Situation. Etwa 30 Mitglieder zählt die Evangelische Kirchgemeinde A.B. in Martinsdorf noch. Für uns eine Situation, die wir nur schwer verkraften können. Haben wir doch diesen Ort noch immer als eine blühende sächsische Gemeinde in unserem Gedächtnis................
Und diese Bilder gehen nur ganz schwer wieder aus dem Kopf. Nun, es ist, wie es ist, wir treffen uns - (wie immer schon vor dem Glockenläuten ) - vor dem Gottesdienst, stehen noch ein wenig auf dem Schulhof vor der Kirche herum und warten, wer da kommen wird – da fällt uns ein kleines Mädchen auf. Anderthalb Jahre mag die Kleine alt sein. Sie ist sehr hübsch zurecht gemacht, ein niedliches Kind eben. Etwas abseits hält sich ein junger Mann auf, offensichtlich der Vater, denn er ruft sie manchmal beim Namen : „Sibylle“

Wir denken uns nichts dabei und gehen in die Kirche, der Gottesdienst soll nun beginnen. Und da geschieht etwas sehr sonderbares: Dieses kleine Mädchen, von dem wir inzwischen wissen, dass es Sibylle heißt, schlängelt sich durch die Kirchenbänke bis hin zu Anne, bleibt kurz stehen und wartet, was geschieht. Freilich kann Anne nicht anders, als das kleine Wesen aufzunehmen und auf ihren Schoß zu setzen. Und da sitzt sie nun, die kleine Hübsche, schaut munter um sich, blättert im Gesangbuch und ist ein wahres „Musterkind“ im Gottesdienst. Derweil hält die Frau Pfarrerin ihre Predigt – später erfahren wir, dass es eine ihrer ersten in Martinsdorf war – und der Gottesdienst geht zu Ende. Immer noch sitzt das kleine Mädchen auf Annes Schoß und will sich gar nicht trennen. Aber wir müssen die Kirche irgendwann mal verlassen und ich sage zu Anne:
„Entweder haben wir jetzt 50 Euro oder wir haben ein Problem“- worauf Anne meint:
„50 Euro haben wir aber nicht.......!!!“ Und das ist der Anfang einer langen Geschichte, die wir von nun an gemeinsam mit Sibylle schreiben werden. 

Und nach und nach erfahren wir die wahre Geschichte: Da müssen wir zurück in das Jahr 1988. Helmut – der spätere Vater von Sibylle – ist ein ganz junger Mann und er will in die
Freiheit. Bei seiner Tätigkeit als Schneider in einer Hermannstädter Firma, die für den Westen arbeitet, stellt er immer wieder fest, wie gut die Manager aus dem Westen gekleidet
sind und wie sie großzügig mit Geld umgehen können. Dabei ist er selber ziemlich arm und seine Familie in Rosch ist noch ärmer. Was liegt also näher für den jungen Mann, als dem vermeintlichen Reichtum nachzureisen. Und so liegt der Gedanke nahe: „Da, wo es das Geld gibt, willst du auch hin...“
Es ist der 23. August 1988, der rumänische Nationalfeiertag. An eben diesem Tag haben die rumänischen Truppen im Jahr 1944 die Front gewechselt und waren von den Deutschen zu den Russen übergewechselt, haben die Karabiner umgedreht, haben ihren König in die Wüste geschickt und feiern diesen Tag nunmehr als den Tag der „Befreiung“. Es ist der größte Nationalfeiertag in Rumänien, Ceausescu hat Jubel angesagt und befohlen........
Diesen Tag wählt sich Helmut, um heimlich über die Grenze nach Jugoslawien zu verschwinden. Er meint, dass die rumänischen Grenzbeamten an diesem Tag sowieso nur feiern und saufen und er im Schatten dieser Feierlichkeiten ungehindert über die Donau nach Serbien kommen könnte. So versucht er es halt. Ohne Landkarte und Ortskenntnis und vor allem ohne die Fähigkeit zum Schwimmen. Das hat er nie gelernt. Er wird natürlich „geschnappt“. Es gibt auch in Rumänien genügend „Grenzhelfer“, die ganz genau darauf achten, wer im Grenzgebiet sein darf und wer nicht. Die Stunden nach seiner Festnahme sind schrecklich. Zunächst fesselt man ihn irgendwo in einer Grenzwache an ein Bettgestell, dann kommt die „Securitate“ und nimmt ihn mit. Zunächst hat er keine Ahnung, wo er sich befindet, wird nur immer wieder verhört und geprügelt und die Securitate – Leute machen es besonders infam: Sie lassen ihn von Mitgefangenen verhauen, von Leuten also, die es auch versucht hatten, über die Grenze zu kommen oder noch schlimmere Dinge auf ihrem Kerbholz haben, richtige Verbrecher, vielleicht auch Mörder. Sein persönlicher Nachteil: Er ist Deutscher (Siebenbürger Sachse) und deswegen bei den Rumänen schon von Natur aus ziemlich mies angesehen. Man beschimpft ihn als „Hitleristen“, der Hass ist zügellos und als er das nicht möchte, gibt es erneut Prügel........ 
Am Ende landet er in Jilava im Securitate-Gefängnis und muss dort bleiben, bis man ihn, schwer geschädigt, nach Hause entlässt. Dort müssen erst einmal seine zerschundenen Füße und der geprügelte Rücken behandelt werden, aber um seine zerschundene Seele kümmert sich niemand............... 
So ist der Weg in die Psychiatrische Klinik Hermannstadt nicht sehr weit. Immer wieder muss er da behandelt werden, aber keiner hilft ihm wirklich, das Trauma seiner Haft zu verarbeiten. Im Gegenteil: Die „Ärzte“ testen an ihm irgendwelche Psychopharmaka im Auftrag westlicher Firmen. Selbst während und gerade nach der „Wende“ ist er noch immer das Versuchskaninchen im Auftrag internationaler Pharmakonzerne. Keiner sagt es ihm, aber irgendwie spürt er es doch. So mag es für ihn ein Segen sein, dass er Christina kennen lernt, die später die Mutter von Sibylle sein wird, eben dem Mädchen, das wir in der Kirche von Martinsdorf kennen lernen. Es hätte alles wohl auch sehr schön sein können. Wenn nicht die „Mutter“ Christina ihr Baby im Alter von gerade mal 6 Monaten einfach im Stich gelassen und sich unbekannten Ortes entfernt hätte. (Später werden wir erfahren, dass es da noch andere Kinder gibt, die sie samt und sonders der staatlichen Obhut übergeben hatte.) Nun ist er allein mit seinem Kind und mit seiner Behinderung. Lange kann das nicht gut gehen und so ist es ein Segen, dass die Hausärztin, die gleich nebenan ihre Praxis hat, sich der beiden annimmt. Von Stund`an wird Sibylle nun frühmorgens aus dem Fenster der Wohnung ihres Vaters gereicht, wird bei der Ärztin gewaschen, versorgt, mit einem Frühstück versehen und von der Sprechstundenhilfe per Fahrrad und mit Hilfe einer Obstklappkiste in den Kindergarten im Nachbarort gefahren. Helmut kann derweil seinen Cocktail an Psychopharmaka ausschlafen.............
So geht das eine gute Weile, bis wir wieder da sind und gemeinsam mit der Ärztin festlegen, dass es so nicht wirklich weiter gehen kann. Denn: Was wäre wenn............ 
...der Helmut mal wirklich austickt ???????????????
...er seine Pflichten grob übersieht ????????????????
...er sein Kind nicht mehr ernähren kann ??????????
Von der Zeit an wohnt Sibylle in der Arztpraxis und Helmut muss damit leben lernen. Für das Kind ist es gut. Wir haben einen Vertrag gemacht. Und wir geben uns alle Mühe, dafür zu sorgen, dass es dem kleinen Mädchen an nichts fehlt. Immer wieder schicken wir mit dem Buspaketdienst von „Atlassib“ Pakete mit Nahrungsmitteln und Kleidung für die kleine Sibylle und freuen uns, dass wir an ihrer Entwicklung Anteil haben dürfen. So geht das über die Zeit. Irgendwann kommt Helmut mit seiner Tochter über Weihnachten zu uns. Sibylle ist inzwischen drei Jahre alt und spricht kein Wort deutsch. 
Da kommen wir auf die Idee, sie nach Weihnachten im Kindergarten unserer Enkelkinder Elisabeth und Maximilian für eine Woche anzumelden. Und siehe da, bereits nach zwei, drei Tagen kann selbst ich mich mit diesem Kind unterhalten. Sie kann es !! Wahnsinn, wie schnell Kinder lernen !!!!!!!!!!!!!
Ab diesem Zeitpunkt steht für uns fest: Sibylle muss irgendwann mal auf eine deutsche Schule gehen. Wir wissen, dass es solche in Rumänien gibt, aber wir wissen nicht genau wo. Und so ist es wohl Fügung, dass ich eines schönen Tages in Martinsdorf bei unserer lieben Freundin Hanni zum Kaffee sitze und mir gegenüber eine Frau, die ich für eine Urlauberin halte. „Nein“, sagt sie, „ich bin Grundschullehrerin in Alzen“, das ist eine Gemeinde im Harbachtal, etwa 20 Kilometer von Martinsdorf und Rosch entfernt. Nun ist natürlich klar, was wir wollen: Wir möchten Sibylle auf diese deutsche Schule schicken und zu genau dieser Lehrerin, Frau Müller, die sich der Kinder in besonderer Weise annimmt. Und siehe da, es gelingt uns. Sibylle wird wenige Tage vor ihrem 6. Geburtstag in Alzen in die erste Klasse der deutschen Abteilung der Grundschule eingeschult. Was für eine Freude!!! Von da an sind Sibylle und Frau Müller ein eingeschworenes Team! 

So geht das bis zum Abschluss der 4. Klasse. In den Sommerferien ist Sibylle nun auch ohne den Vater bei uns und wir haben mit all den anderen Enkelkindern recht viel Spaß. Freilich gibt es in Hermannstadt immer wieder Zoff mit dem Jugendamt. Plötzlich soll die Mutter, die ihr Kind einfach im Stich gelassen hatte, wieder gewisse Rechte erhalten, keiner weiß wirklich was gehauen und gestochen ist und Anne verbringt eine geschlagene Woche auf dem rumänischen Jugendamt, um dafür zu streiten, dass Sibylle bei der Ärztin, Tante Ileana, bleiben darf. Es sind schlimme Stunden und Urlaub wäre ganz etwas anderes... Am Ende dürfen wir sie wieder mitnehmen zu uns nach Deutschland, wo sie sich doch auch wie zuhause fühlt und ein wenig von dem ganzen Stress erholen kann. Unsere Enkelkinder sorgen immer wieder dafür. Sie haben einander einfach lieb.

Abenteuer Pfarrhaus

von Hubert Schierl

Da haben wir nun also die Pfarrstelle Straßberg zugewiesen bekommen als erste Stelle eines künftigen „Pfarrvikars“ und späteren Ortspfarrers. Zunächst: Keine Ahnung, wie das gehen soll. Noch bin ich auf dem Predigercolleg in Leipzig, noch gibt es Sorgen um den Vater Hans, der nach seiner Rückkehr nach Rumänien in Oradea operiert werden musste und nun noch immer sehr krank dort in der Klinik liegt. Anne ist mit dem winzigen Sebastian auch ziemlich abgeschnitten von der Welt, sie sitzt in Oelsnitz fest und derweil wartet das Pfarrhaus in Straßberg darauf, dass es bezogen werden soll. Zum Glück gibt es den Helmut, unseren Schwager aus Großschenk in Siebenbürgen. Der hatte sich rechtzeitig um eine Reisegenehmigung in die DDR bemüht, die ihm auch bewilligt wurde und nun kann er bei uns sein. Er ist ja ein Handwerker durch und durch, der auch mal was improvisieren kann. Gelernt hat er wohl Maurer, aber nun arbeitet er als Tischler und ist somit mit fast allen Gewerken vertraut. Das ist unsere Rettung!
Also quartieren wir ihn in Straßberg ein, sorgen dafür, dass er im Gasthof immer eine warme Mahlzeit bekommt und auch sein Bier dazu trinken kann, geben ihm alle nur mögliche Freiheit, unsere künftige Wohnung so herzurichten, dass wir uns dort halbwegs wohlfühlen werden. Viel Geld haben wir nicht und auch die Kirchgemeinde ist nicht sonderlich spendabel. So will man zum Beispiel gar nicht verstehen, dass der „herkömmlich in gutem Zustand vorhandene“ Kohleherd in der Küche nicht mehr so ganz den Ansprüchen einer jungen Familie des Jahres 1974 entspricht. Wir lassen den trotzdem auf den Oberboden verfrachten, weil man ja nichts wegwerfen darf und beauftragen den Herrn Methner aus Oelsnitz, uns einen Propangasherd auf eigene Rechnung aufzustellen. Dazu einen „Beistellherd“, den man mit Kohle befeuert und gut ist es mit der Küche.... Gebrauchte Küchenmöbel gibt es preiswert im An- und Verkauf und selbst ein gebrauchter Kühlschrank, der nur noch neu lackiert werden muss, kann erworben werden. Also ist die Ernährungslage auch gesichert. Helmut hantiert, so gut er kann und findet sich schnell mit den ihm fremden Technologien zurecht. Tapezieren zum Beispiel ist ihm fremd, aber nach einigen Fehlversuchen klappt es ganz prima, zumindest kann er dem Maler recht gut helfen. Wir besorgen die Tapeten oft auf abenteuerlichen Wegen. So fahren wir nach Schleiz in einen Tapetenladen, weil wir dort das gefunden haben, was uns gefällt. Helmut mauert und spitzt und verputzt, was das Zeug hält und nach ca. 6 Wochen ist die Wohnung bezugsfertig. Die Öfen sind gereinigt, die Decken geweißt, die Wände tapeziert und nun müssen wir nur noch die ausgelagerten Möbel von überall her wieder einsammeln und in die neue Wohnung verbringen. Das ist z.B. bei unseren Schlafzimmermöbeln gar nicht so leicht: Die habe ich mir bei einer alten Dame im Alterskrankenhaus der Inneren Mission „erpflegt“. Ich habe dort immer mal eine Nachtwache gemacht, um das spärliche Vikariatsgehalt von 330.- M/DDR brutto etwas aufzubessern. Da kommt mir zugute, dass ich in Leipzig schon einige Jahre im Bezirkskrankenhaus „St. Georg“ gedient hatte. Die alte Dame – eine ehemalige Plauener Spitzenfabrikantin – hat mich offensichtlich in`s Herz geschlossen und bietet mir an, diese massiven Birkenholzmöbel zu übernehmen. Im ersten Moment ein Schock: So „massiv“ hatte ich mir das nicht vorgestellt....... 
Aber Anne meint, das ginge schon, die Räume seien ja groß und auch hoch genug – also lasse ich mich breitschlagen und die Sachen werden nach Straßberg transportiert. Der Spediteur ist übrigens der Ehemann einer Plauener Staatsanwältin, aber das tut in dem Moment nichts zur Sache. Die Wohnzimmereinrichtung haben wir auch schon. Sie stammt, wie das Arbeitszimmer, aus dem An- und Verkauf, ist aber dafür von feinstem englischen Adel. Chipendale – man gönnt sich ja sonst nichts............... 
So brauchen wir also nur noch ein paar Sachen für das Kinderzimmer. Als Wickeltisch dient uns der alte Schreibtisch vom Onkel Walter, der einst Zahnarzt in Olbernhau war und nun in Bad Hersfeld im Westen praktiziert. Der braucht ihn sowieso nicht mehr, deswegen kann er seinen Dienst bei uns tun. Der Vorteil ist: Er hat Rolltüren und ist somit sehr platzsparend. Also steht dem Familienleben im Straßberger Pfarrhaus nichts mehr im Wege. Der Winter steht vor der Tür und nun haben wir erst mal zu tun, die relativ große – weil, wie gesagt, doch recht hohe – Wohnung warm zu kriegen. Natürlich kann man die Fenster nicht mit heutigen Standards vergleichen. Es sind notdürftig ausgebesserte Kastenfenster und wir haben schon den Eindruck, dass ganz viel Wärme auf den Hof abzieht. Aber was soll's, der Keller ist voll mit Brikett und so schleppen wir halt jeden Tag die Kohlen hoch und die Asche wieder runter. Am 1. Advent soll unser Sebastian getauft werden. Da es der erste Sohn ist, möchte ich das gern selber machen und besorge mir deshalb eine Sondergenehmigung beim Landeskirchenamt. Ich bin ja noch nicht ordiniert........... 
Es wird ein feierlicher Gottesdienst in der festlich geschmückten Kirche zu Straßberg und anschließend feiern wir als junge Familie unser erstes richtiges Familienfest in „eigener Regie“. Das Pfarrhaus ist voll mit lieben Gästen aus Ost und West, nur aus Rumänien kann keiner dabei sein. Das ist ein kleiner Wermutstropfen. Aber da müssen wir durch. Zu Weihnachten strahlt unser erster eigener Christbaum im Wohnzimmer und so sind wir als kleine Familie zufrieden, dass wir gut untergekommen sind. Zusammen mit unserem alten Kantor Wohlrabe habe ich das Straßberger Krippenspiel einstudiert. Ich bin froh, dass der alte Herr mich so freundlich in die Gegebenheiten einführt, hat er doch dieses Spiel selber erarbeitet und hat genaue Vorstellungen, wie es aufgeführt werden soll. Kinder und junge Leute sind reichlich vorhanden und so haben wir keinen Mangel an Mitspielern. (Übrigens: Heute, nach 40 Jahren, wird in Straßberg noch immer das gleiche Spiel unter meiner Regie gezeigt und die Mitspieler, die damals als ganz kleine Kinder angefangen haben, sind zum Teil noch heute dabei !!!) Das nächste Jahr – 1975 – soll uns auch noch so manche Überraschung bringen: Zunächst stehen aber dienstliche Dinge auf der Agenda. Wir müssen uns einfach zurecht finden lernen in so einer Dorfgemeinde am Rande von Plauen. Straßberg,Kobitzschwalde und die Possig, ein Teil von Neundorf, Kloschwitz, Kröstau und noch einige Randgebiete sind das „Jagdrevier“. Das will bewältigt sein. Ich habe mein zweites Examen zu absolvieren und bin deswegen öfter auch mal in Zwickau oder Dresden, um die nötigen Klausuren zu schreiben bzw. mündliche Prüfungen abzulegen. Anfang Juli steht die Ordination an – wieder ein Fest, diesmal aber mit der ganzen Gemeinde – und damit beginnt der eigenverantwortliche Dienst in der Kirchgemeinde. Nun müssen wir alles selber entscheiden. Zum Glück hat der Onkel Walter über „Genex“ einen wunderschönen „Trabantcombi, de luxe“ spendiert,, weiß mit rotem Dach und Chromstoßstangen, mit dem lassen sich die Entfernungen spielend bewältigen und auch der kleine Sebastian kennt schon die Vorzüge dieses Vehikels. Solange es rollt, ist er still, aber wehe es kommt eine rote Ampel …............!!!!! Irgendwann im Laufe des Frühjahres wird uns klar, das unsere Familienstärke „aufgestockt“ werden wird. 
Da hat sich ein zweites Baby angemeldet. Und da es noch keinen Ultraschall und ähnliche Diagnosemethoden gibt, sind wir natürlich recht gespannt, auf was wir uns da eingelassen haben. Für Anfang November ist der Geburtstermin errechnet. Also haben wir noch etwas Zeit, den ersten Sommer mit dem Sebastian zu genießen. Im Haus und im Garten haben wir genug zu tun. Der Garten soll uns künftig helfen, einige Grundbedürfnisse in Richtung Obst und Gemüse zu decken, also wird angebaut. Bisweilen ist der Vater aus Oelsnitz als passionierter Kleingärtner auch mit von der Partie und so steht der ersten Möhrenernte schon bald nichts mehr im Wege. Auch stellen wir fest, dass die alten Apfelbäume im Grundstück noch recht passable Früchte liefern.
Und dann kommt Sonntag, der 2. November 1975. Am Nachmittag „drehen“ wir zu Fuß noch eine Runde um das Dorf und dann am Abend meint Anne, es sei nun soweit, sie möchte lieber in die Klinik. Diesmal kann ich sie selber hinfahren nach Plauen in die Melanchthonstraße. Aber dann der Schock: Links am Ende der großen Treppe ist die Pförtnerloge und da sitzt ein eher mißmutiger älterer Herr, der erst mal wissen will, was wir hier wollen. Nachdem es ihm erklärt wurde, bedeutet er uns zu warten und dann kommt eine ebenfalls nicht gerade sehr freundliche Schwester, nimmt Anne in Empfang und schickt mich einfach wieder nach Hause. Das war es dann für's Erste...........
Nun vergehen bange Stunden bis zum Montag früh und dann die erlösende Nachricht: Tobias ist auf der Welt. Er ist gesund, ihm und seiner Mutter geht es gut und dann kommt am Abend wieder das Spiel, wie beim ersten Mal: Ich schaue durch diese dumme Glasscheibe mit dem albernen Storchenvorhang, sehe ein kleines Bündel Mensch mit vom Desinfektionsmittel blau gefärbten Lippen, hinter mir stehen die anderen Leute , teils in Uniform der Sowjetarmee, die auch mal ran wollen und das war es dann zunächst..........
Nun haben wir also zwei Kinder. Und gern denke ich an den Tag, als ich Anne und Tobias aus der Klinik abholen darf. An der Wohnungstür steht der kleine Sebastian mit der Tante Ella, unserer lieben Mitbewohnerin und „Vizegroßmutter“: „Baby, Baby, Baby.............“ sind die Worte des kleinen Kerls. Er ist offensichtlich tief beeindruckt von diesem Bündel, aus dem es auch mal schreit. (Das ist der Beginn einer innigen guten Freundschaft zischen den beiden „Großen“. Max und Gottfried werden sie sich später nennen und wir werden nicht erleben, dass sie einander wehtun, auch nicht, als dann der Benjamin aus dem Duo ein Trio machen
wird.) Irgendwann im Januar wird Tobias dann im Kirchgemeinderaum getauft und nun
brauche ich keine Sondergenehmigung mehr. Ich habe als Tauftext die Geschichte vom „Kämmerer aus dem Mohrenland“ ausgesucht, von dem es am Ende heißt: „..........und er zog seine Straße fröhlich..............“ Das ist es, was ich nicht nur dem Tobias mit auf seinen Weg geben möchte. Und manchmal habe ich schon den Eindruck, dass es uns daran ein wenig fehlt: Wir ziehen unsere Straße zu wenig fröhlich, d.h.: Manchmal machen wir uns Sorgen, die wir getrost dem lieben Gott übergeben sollten.........

Besuch aus Siebenbürgen

von Hubert Schierl

Fast ein Jahr sind Anne und ich nun schon verheiratet. Mein Vikariat in der Plauener Markuskirche habe ich im wesentlichen mit dem Einbau der großen Kirchenfenster zugebracht. Taufen und Trauungen darf ich noch nicht vollziehen, da ich noch nicht ordiniert und damit noch kein „richtiger“ Pfarrer bin und an die Beerdigungen läßt mich mein Chef auch nicht ran. Also lerne ich Kirchenfenster einzubauen... Zumindest der Kirchgemeinde bringt das einen billigen Handlanger ein. Auch die Ausbildung zum Katecheten (d.h. für die Erteilung des kirchlichen Religionsunterrichtes) bei der Frau Bezirkskatechetin Fritzsche (manchmal nennen wir sie auch „Bezirkskatastrophe“, weil sie uns ganz schön scheuchen kann und ganz toll schrecklich mit ihrem Diensttrabi durch die Kante fährt, vor allem um die Rechtskurven !!.), habe ich absolviert, jeweils ein halbes Jahr Zeit, um das „Handwerkszeug“ für ein Pfarrerleben zu erlernen – eigentlich schon Wanhsinn....!!!!! Aber wie hat mal einer mein er alten Lehrer in Oelsnitz vor Jahren gesagt ? „Wissen heißt wissen, wo's steht“! Und das habe ich mir gemerkt !!!!
Die Einzimmerwohnung bei der Pfarrerwitwe Brunner in Plauen mußten wir für den nächsten Vikar räumen und so sind wir vorübergehend in Oelsnitz bei den Eltern untergekommen, bis wir was Eigenes – unsere erste Pfarrstelle – kriegen. Das ist auch gut so, denn in den nächsten Wochen soll unser erstes Kind zur Welt kommen und da ist es schon ganz gut, wenn die junge Mutter ein wenig Beistand hat, zumal für mich zum Ende des Sommers die Ausbildung in Leipzig auf dem Predigercolleg St. Pauli weitergehen soll. Da denkt der Mensch, mit 7 (sieben) Jahren Studium ist es genug – falsch gedacht. Jetzt geht das alles nochmal los..... Das zweite Examen wartet und das wird vor den Gremien der Landeskirche, d.h. vor dem Herrn Landesbischof und seinen Oberlandeskirchenräten abgelegt. Eine Diensteignungsprüfung ist das sozusagen. Und dafür muß natürlich nochmal „gepaukt“ werden, denn die Herren aus dem Landeskirchenamt wollen es schon noch einmal genau wissen, was die Kandidaten für das Predigtamt auf ihren jeweiligen Hochschulen gelernt haben. Auch Latein, Griechisch und Hebräisch stehen auf der Agenda!!! Deshalb dieses halbe Jahr in Leipzig.

Damit für Anne die Trennungszeit nicht gar zu schwer sein wird, hat sich Vater Hans aus Siebenbürgen zum Besuch angesagt und will den „kleinen“ Hans auch mitbringen. Immerhin wollen die beiden schon mal nachschauen, wo die Tochter und große Schwester denn nun untergekommen ist. Es ist Ferienzeit und die beiden haben es geschafft, den Pass in die DDR zu bekommen. So darf ich sie schließlich in Dresden vom Balt-Orient-Express abholen. Schon bald auf der Heimfahrt spüre ich jedoch, dass es dem Vater Hans gar nicht so recht gut geht. Öfter mal muß ich unterwegs eine kleine Pause einlegen, er will aussteigen und sich die Beine
vertreten, wie er sagt. Ich schiebe es auf die Strapazen der Reise und die stressige Zeit vorher. Aber auch in Oelsnitz, nachdem er sich ausruhen konnte, will sein Zustand sich nicht wirklich ändern. Und dabei hatte er sich eigentlich nur gewünscht, einmal Bockwurst zu essen und Bier zu trinken bis zum Abwinken, denn diese Delikatessen gab es in Siebenbürgen nur ganz selten und wenn ja, auch nur in minderwertiger Qualität. Trotzdem gehen wir am Abend mal in die Kneipe um die Ecke, aber nach der einen Bockwurst ist schon Schluß, er mag nicht mehr. Ein wenig mehr Glück hat der „kleine“ Hans, 11 Jahre alt und ein cleveres Bürschlein. Ihn haben wir mitgenommen ins Wirtshaus zu Bockwurst und Sprudel und siehe da, am Nachbartisch sitzt der Hans Methner, der Tankstellenbesitzer und Propangasfachmann. Und dem fällt der junge Bursche auf. Spontan bekommt der „kleine“ Hans Löprich aus Martinsdorf eine Einladung, den „großen“ Hans Methner aus Oelsnitz doch mal in seiner Tankstelle zu besuchen, weil sie eben beide HANS heissen. Daraus wird sich eine innige Freundschaft entwickeln....
Um den Vater müssen wir uns allerdings große Sorgen machen. Von Tag zu Tag wird sein Zustand bedenklicher. Er kann nichts essen, hat keinerlei Freude an dem, was er erlebt und wird immer apathischer.. Letztendlich muß er zum Doktor. Ein Glück, dass es ein Gesundheitsabkommen zwischen Rumänien und der DDR gibt und wir in Oelsnitz so viele Leute kennen..... Am Ende landet der Vater Hans im Kreiskrankenhaus Oelsnitz auf dem Kirchberg gleich neben der Katholischen Kirche. Die Ärzte nehmen sich seiner mit besonderer Hingabe an, kommt es doch nicht alle Tage vor, dass ein „Ausländer“, der obendrein noch perfekt deutsch sprechen kann, in Oelsnitz behandelt wird.....
Alle damals nur mögliche Diagnostik wird gemacht und die Ärzte sind der Meinung, da sollte man mal nachschauen, indem man den Bauch einfach aufmacht. Aber der Patient weigert sich. Wenn schon Operation, dann nur zuhause und in Anwesenheit seiner Frau. Also haben die Doc's keine Chance, sie können ihn nur bis an die Halskrause mit Antibiotika abfüllen und so sein Leben bewahren. Inzwischen bin ich längst in Leipzig auf dem Predigercolleg und kann nur sporadisch über das Wochenende in Oelsnitz sein. Auch rückt der Geburtstermin für unser erstes Baby immer näher. Anne besucht ihren Vater jeden Tag im Krankenhaus, steht ihm bei, so gut sie in ihrem Zustand kann, es ist eine große Belastung für sie und die ganze Familie. Mutter Anna in Martinsdorf ist abgeschnitten vom Geschehen und soll dort die Dinge am Laufen halten. Da ist es ein großer Segen, dass der „kleine“ Hans bei Methners Hans gut untergebracht ist. Die beiden Hansen unternehmen fast jeden Tag eine Tour mit dem „Gaswagen“, d.h. sie liefern Propangasflaschen bis nach Bad Brambach, kehren unterwegs in der „Käs' burg“ ein und haben so ihre Beschäftigung. Es kommt Freitag, der 20. September 1974 und Anne muß zur Entbindung nach Plauen. Zum Glück ist die Hebamme eine gute Freundin und Pfarrfrau aus Taltitz, so wissen wir Anne auch da gut aufgehoben. Ein gesundes munteres Baby, unser Sebastian, kommt zur Welt. Aber ich bin weit weg vom Geschehen und bekomme kaum Sonderprivilegien eingeräumt. Schließlich ist Kinderkriegen ja was ganz Normales. Um die Begleitumstände weiß in dem Moment keiner so recht Bescheid. So kann ich auch am Geburtstag unseres ersten Sohnes nur etwas vor sieben Uhr abends in Plauen sein, um dann durch diese dumme Glasscheibe mit dem Storchenvorhang zu schauen auf ein kleines Bündel Mensch, das ich nicht erkennen kann. Hinter mir stehen und drängeln sich viele andere Leute, teils höher gestellte Menschen in Uniform der ruhmreichen Sowjetarmee,nach Machorka und Wodka duftend , deren Frauen, Töchter und
Schwiegertöchter auch da entbunden haben und ich weiß nicht recht, wer eigentlich mein erster Sohn ist........(Das wird sich zum Glück später ändern !!!!) Entsprechend schlecht geht es dem Vater Hans und ob er wirklich realisiert hat, dass er Großvater wurde, wissen wir nicht. Jedenfalls wird sein Zustand immer bedenklicher. Frau Dr. Renz mahnt zur Operation, aber da geht gar nichts. So bleibt uns nur, den Vater so schnell wie möglich nach Rumänien zu bringen, denn er hat sich vorgenommen, nur dort zu sterben. Vorher werde ich natürlich für den „kleinen“ Hans noch einen Extra-Reisepass bei der rumänischen Botschaft in Ostberlin besorgen und deshalb fahre ich auch noch einmal ganz kurz nach Pankow und besorge dieses Dokument. Nun steht der Heimreise nichts mehr im Wege. Der Hug Hageni kommt mit seinem inzwischen erneuerten Moskwitsch und fährt den Vater liegend nach Dresden, von wo aus wir einen Schlafwagenplatz für ihn und den „kleinen“ Hans reserviert haben. Es geht alles gut. Vater kommt in das Abteil, der Zug fährt los und wir müssen ihn buchstäblich „loslassen“. 

Von da ab wissen wir erst mal nichts mehr.
 Es ist wie bei der Weltraumfahrt: Bist du erst mal weg von der Erde kommt eine Zeit der Funkstille. Die nächste Nachricht erreicht uns nach vielen Stunden aus Oradea in Rumänien, das ist die erste Stadt nach der Grenze zwischen Ungarn und Rumänien. Den Vater hat man als Notfall dort „ausgeladen“, in ein Krankenhaus verbracht und die Mutter ist da. Der „kleine“ Hans fährt offensichtlich weiter, weil er ja zur Schule soll. Die Auflösung des Dramas ist eine BLINDDARMENTZÜNDUNG. Ein rumänischer Arzt operiert notfallmäßig und stellt fest, dass der Blinddarm des Patienten sich entgegen aller Anatomie hinter der Galle versteckt hatte. Zum Glück hatten die Oelsnitzer Ärzte ihren Patienten mit Antibiotika bestens versorgt...........................
Die Rekonvaleszens des Vaters erstreckt sich über viele Monate. Aber er wird schon wieder fast der Alte: „Das größte Eichhörnchen von ganz Rumänien“. Wir werden noch viel Spaß mit ihm haben und er wird uns noch die eine oder andere Lehre erteilen können.
Ein Glück, dass es die Ärzte in Oelsnitz und Oradea gegeben hat.......................